Unter den vielen Bildern für den Heiligen Geist finden sich neben denen der Taube und des Feuers auch das des Sturms und des sanften leisen Hauchs. Es gibt Menschen, die sich den Sturm wünschen, der Veraltetes und Angebrochenes wegweht, reinen Tisch schafft und so den völligen Neuanfang ermöglicht. Und es gibt Menschen, die eher auf den sanften Hauch hoffen, der Kühlung gibt in Mühe und Hitze, der neuen Lebensatem bringt, der uns Kraft gibt. Das alles finden wir im Heiligen Geist, und um ihn zu beten, heißt, die Fülle aller Gaben Gottes zu erbitten, wie wir und unsere Zeit sie brauchen.
Zu Pfingsten feiern wir ja das Geburtsfest der Kirche. Und doch ist vielen wohl nicht zum Feiern zumute, weil wir von mannigfaltigen Krisen umgeben sind, die uns beengen. Und doch sprechen wir bei Krisen auch von nachfolgenden Wenden, die verändern und uns dabei herausfordern und auch beunruhigen. In aller Unruhe und Verunsicherung feiern wir jetzt das Wirken des Geistes Gottes. Er hat die Kirche aber nicht nur am Anfang belebt.
Pfingsten – ein Fest, das auf einem alten, jüdischen Erntefest, dem sogenannten „Wochenfest“ gründet, an dem der Gesetzgebung am Sinai gedacht und das später in Verbindung mit der Geistsendung am Pfingsttag gebracht wurde.
Pfingsten – ein Fest mit jeder Menge wunderbarer Aspekte und doch vielen so fremd. Trotzdem birgt es unzählige heilsgeschichtliche Facetten.
Pfingsten – es ist die Rede von einem Sturmesbrausen. Sturm ergreift uns, bewegt etwas in uns. Luft ist überall um und in uns, spürbar wird sie erst im Wind oder in unserem Atem. Ebenso verhält es sich mit Gottes Geist – in ihm leben und sind wir, ohne ihn, so wie auch ohne Luft, ist kein Leben. Deshalb werden wir zu Pfingsten mit der zärtlichen, gütigen, liebevollen Seite Gottes vertraut gemacht.
Diese Seite Gottes bringt weiter zum Ausdruck, dass Pfingsten, auch ein Fest der Fruchtbarkeit ist. Gottes Geist – auch Geist des Trostes, der Wahrheit, der Weisheit, der Gnade, der Liebe, der Freiheit, wird nicht zuletzt Schöpfergeist genannt. Dieser „Creator Spiritus“, wie er in einem alten Hymnus besungen wird, ist Quelle unserer Fruchtbarkeit, unserer kreativen Ideen, unserer be-geist-ernden Gedanken und unserer Lebendigkeit. Als Früchte dieses Geistes werden Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Sanftmut, Glaube … genannt.
Pfingsten – es ist weiter die Rede von Feuerzungen. Auch Feuer ist ein Symbol für Lebendigkeit. Menschen, in denen ein Feuer brennt, strahlen eine besondere Kraft des Lebens, der Liebe und der Freude aus.
Im Bild der Feuerzungen drückt Pfingsten unsere tiefe Sehnsucht nach einer Glut aus, die nicht ausgeht, wenn wir uns ausgebrannt und leer fühlen. Pfingsten – auch ein Fest der Freiheit und der Mündigkeit. Nicht umsonst wird an Pfingsten der Geburtstag der Kirche gefeiert. Pfingsten macht aus einer kleinen, ängstlichen, unmündigen Schar eine Gemeinschaft von innerlich frei und mündig gewordenen Menschen, die um ihre Weltverantwortung wissen. Pfingsten – ein Fest der Vereinigung und Verständigung. Der Höhepunkt der Pfingsterzählung gipfelt darin, dass Menschen zusammenkommen und einander verstehen. Sie hören die großen Taten Gottes – jeder in seiner Sprache und doch in einer gemeinsamen Sprache vereint. Welche Sprache verstehen wohl auch heute noch alle Menschen, unabhängig von Alter, Nationalität oder geistiger Kapazität?
Es ist die Sprache des Vertrauens und der gleichen inneren Sehnsucht nach Lebensfülle. Sie ist der Weg zu einer neuen, verbindenden, grenzüberschreitenden Gemeinschaft. Zu Weihnachten begehen wir die Geburt Gottes in uns, zu Ostern bedenken wir Jesu Lebensweg von Leiden, Tod und Auferstehung, der sich in unserem Leben immer neu ereignet. Zu Pfingsten feiern wir unser Erwachsen-Werden in einem erstarkten Leben, erfüllt vom Geist der Kraft und der Liebe. Pfingsten ist das Fest der Sendung. Nicht nur um unserer eigenen Selbst-verwirklichung willen sind wir mit dem pfingstlichen Geist beschenkt, sondern mit dem Auftrag, Leben zu wecken und weiterzugeben. Auf welche Weise wir die Verantwortung für die Ausbreitung der Lebensbotschaft wahrnehmen, ist nur mehr eine Anfrage an unsere persönliche, geisterfüllte Kreativität.
Die Liturgie der Kirche macht uns aber etwas vorsichtiger. Pfingsten ist nicht einfach das Fest des Heiligen Geistes, sondern erst einmal der Abschluss des einen großen Osterfestes, das wir 50 Tage lang feiern, damit Ostern mit seiner überragenden Bedeutung für jeden von uns und in all seinen verschiedenen Aspekten ausreichend zur Geltung kommt. Dass die Geistsendung einer dieser Aspekte von Ostern ist, macht uns das Evangelium deutlich. Hier ist am Ostertag selbst die erste Gabe des Auferstandenen an die Jünger sein Heiliger Geist. Wenn die Geistsendung, wenn Pfingsten so stark an Ostern zurückgebunden wird, dass bei Johannes die Auferstehung und die Gabe des Heiligen Geistes an die Jünger an einem Tag geschehen, dann lässt uns das am Ende der 50 Tage Ostern noch einmal neu verstehen.
Ostern ist eben mehr als nur die Auferweckung Jesu, in Jesus sollen wir alle auferstehen und schon jetzt das neue Leben empfangen, das dann im Himmel vollendet werden wird. Um aber dieses neue Leben zu erhalten, müssen wir Gottes Lebensatem empfangen, seinen Geist, der die ganze Welt durchdringt und sie erhält. Um an der Auferstehung Jesu Anteil zu haben, müssen wir mit ihm in unauflöslicher Gemeinschaft stehen. Daher ist der Gruß des Auferstandenen der Friedensgruß, der die Gemeinschaft zwischen ihm und den Jüngern, Gott und den Menschen. herstellt.
Eine alte Beschreibung des Heiligen Geistes ist, dass er die Liebe ist, die Vater und Sohn verbindet. Wenn er nun auch uns gesandt wird, dann sind wir hinein-genommen in das innergöttliche Leben, einbezogen in die Liebe, die Gott als den Einen und Dreifaltigen im Tiefsten kennzeichnet.
In diesem Geist werden auch die Sünden vergeben, die uns allein von Gott trennen können. Heute, am Ende der Feier des einen großen Osterfests, erfährt Ostern für uns im Heiligen Geist seine Vollendung und Erfüllung, indem wir in Ostern hineingenommen werden. Heute dürfen wir in der Kraft des Heiligen Geistes sagen, dass auch wir mit Christus auferstehen und dass diese Auferstehung bereits in diesem Leben beginnt.
Die Texte sind Kommentare zu den Liturgischen Texten und Ausschnitte
aus einer Sammlung von Diakon Ing. Peter ERNST.
Bilder: Pixabay, Le petit Placide, Wikimedia Commons