Männer-Spiritualität entdecken …


Psychotherapeut Georg Wieländer am Diözesan-Männertag in Wien für spirituelles Reifen von Männern für Kirche und Gesellschaft – Ass.-Prof. Peter Schönhuber stellte Projekt Vanakkam vor

„Keines unserer gegenwärtigen Probleme in Kirche und Gesellschaft wird sich verändern, solange die Männer nicht spirituell reifen“, diese Überzeugung des Franziskanerpaters und Pioniers einer christlich-spirituellen Männerbewegung, Richard Rohr, teilt mit ihm der Psychotherapeut und Mediator Georg Wieländer, der beim Diözesanen Männertag der Erzdiözese Wien am 16. Februar 2019 iPfarrsaal St. Florian, 1050 Wien, der Frage nachging: „Adam, wo bist Du? Wie können speziell Männer ihre Spiritualität entdecken“, zu dem auf Einladung der Katholischen Männerbewegung der ED Wien die leitenden Verantwortlichen aus allen Teilen der Diözese – von der Buckligen Welt bis Retz – in die Pfarre zur Frohen Botschaft gekommen waren.

„Brüche“ öffnen

Nachdem Männer a priori nicht unbedingt einen leichten Zugang zu spirituellen Themen haben, oft in einem Konkurrenzverhalten zueinander stehen, zu Verschlossenheit tendieren, aber auch dazu, „Kontrollfreaks“ zu sein und Lösungen im Kopf zu treffen, brauche es hier einen Anstoß von außen, legte Wieländer dar. Schon Gott habe zuerst den Mann als Ansprechpartner gesucht und diesen zu fragen begonnnen: Adam, wo bist du? Warum versteckst Du dich vor mir? Hinter welchen Masken verbirgst du dein „wahres Selbst“?, sagte Wieländer mit dem Hinweis auf Genesis 3,1-13.

Die Sehnsucht nach der spirituellen Reise beginne zumeist in der Zweiten Lebenshälfte nach Krisen (midlife crisis) Krankheit, Burn Out, Jobverlust, Scheidung. „Meist ist der Wegweiser zur Spiritualität unsere Verwundbarkeit. Diese ´Brüche´ öffnen uns für das Eigentliche, denn dort wo wir verwundbar sind, sind wir heilungsbedürftig und werden offen für Gottes Liebe“, führte Wieländer aus.

Dabei sei der Weg der männlichen Spiritualität oft wie die Suche nach dem „heiligen Grahl“, wo nicht die Verbitterung, sondern die Annahme der Verwundung das Ziel sei. „Es geht um loslassen. Wenn ich das nicht kapiere, werde ich nicht weiterkommen“, bekräftigte Wieländer, der darauf hinwies: Unsere Wunden machen uns bereit dazu, den „Abstieg“ zu wagen … zum „heiligen Narr“ und nicht zum „alten Narr“ zu werden, der glaube, noch immer aufzusteigen.

Spirituelle Männerarbeit damit Wunden heilen

Öfters gebe es bei Männern eine Leere und Schmerz in der Beziehung zum eigenen Vater (Vaterlose Gesellschaft). Es gäbe immer wieder Väter, die nicht wüssten, wie man Vater ist. Gleichzeitig gäbe es bei den Jungen eine „Suche nach dem Gesegnet- und Geliebtsein von einer Vaterfigur. Viele spüren, das totale Interesse, sich mit mir auseinander zu setzen, habe ich vermisst. Viele Jungen sehnen sich aber auch nach einer großväterlichen Energie“, so Wieländer, der Vater zweier Kinder und eines Enkelsohnes ist und das „häufig bei Männern, die in die Therapie kommen“, erlebe.

Ziel der Männer müsse es daher sein, alle vier männliche Archetypen, den Liebhaber, der das Schöne, das Positive sieht, den Magier, der die mystische Verwandlung sucht, den Krieger, der Stellung bezieht und den König, der weiß wo sein Reich ist und wo es endet, zu integrieren. Es gehe darum „anzunehmen, was ist, mit einem liebenden Blick durch das Leben zu gehen und nicht darum, das Eigene drüber zu legen, sondern aktiv zu schauen (ohne Handy) und aktiv zuzuhören, was ist“, so Wieländer, der mit der Spirituellen Männerarbeit nach Richard Rohr seit 1996 vertraut ist.

Richard Rohr treffe hier die Unterscheidung, „was ist das ursprüngliche, das wirkliche, wahre Selbst in uns. Alles worin wir uns einwickeln, mit Ansehen, Statussymbolen, Wichtigkeiten, das führt uns spirituell nicht weiter. Das ´falsche´ Selbst ist aber Gott ziemlich fremd, weil wir in unserer Einzigartigkeit erkannt sind und nicht in dem, was wir nach Außen sein wollen“, so Wieländer.

Kontemplation in Zeiten der Stille suchen

Da die Rollenerwartung an Männer in Beruf und Familie heute hoch sei, besonders bei Männern zwischen 25 und 45, mit gleichberechtigter Partnerschaft, geteilter Erziehungsverantwortung, im Beruf der volle Einsatz zu geben sei (Überstunden), es oft zu einer Überlastung (Druck wegen Existenzsicherung) komme, öffnen uns diese „Brüche“ für das Eigentliche, betonte Wieländer.

Daher sei für Männer in Partnerschaft und Beziehung eine „Ebenbürtigkeit auf Augenhöhe“ wichtig, denn die Liebe braucht „Gleichwertigkeit“. Bedeutsam sei auch Missverständnisse zwischen den Geschlechtern (schnelle Lösungen versus Reden wollen) auszuräumen. Ebenso sollten Männer „Beziehung nicht ´konsumieren´, sondern aktiv gestalten“, betonte Wieländer.

Um mit diesen vielfältigen Herausforderungen entsprechend umgehen zu können sei es wesentlich, Zeiten der bewussten Stille im Alltag einzulegen, die Kontemplation in der Stille zu suchen, wozu eine tägliche Meditation oder ein kontemplatives Gebet, körperliche Übungen wie Qi Gong oder Yoga, die Teilnahme an einer Männergruppe, aber auch Wanderungen (z.B. Jakobs-, Pilgerwege), Naturerfahrungen fernab von Menschen oder Wochenenden mit anderen Männern helfen können, erläuterte Wieländer.

Zum richtigen Umgang mit Macht

Die Arbeitsgemeinschaft MANNSEIN.AT habe daher in Österreich mittlerweile siebenmal eine Initiation nach Richard Rohr veranstaltet, die auf christlicher Tradition aufgebaut ist basierend auf Sakramenten wie Taufe, Beichte, Firmung, Eucharistie. Dabei komme es zu einem Eintauchen in den Schwellenraum wieJona im Bauch des Wahlfisches mit einem Abschneiden von deiner Alltagswelt, wo der Prozess des „Sterbens“ simuliert werde, denn „erst die erlittene Ohnmacht befähigt zu einem richtigen Umgang mit Macht“. Gleichzeitig erfordere dies ein „Loslassen von falscher Macht und falschen Versprechungen“, so Wieländer.

Hatten schon die zwischenzeitliche Murmelphase bei den Männern zu einem sehr ehrlichen, offenen und ausgiebigen Erfahrungsaustausch geführt, wofür die Gesprächzeit viel zu kurz wurde, so sagte am Ende einer der Männer: „Das hat mir total aus der Seele gesprochen. Das war ein super Impuls“. Ein anderer erzählte, wie er sich durch Jahrzehnte von den Büchern Richard Rohrs genährt habe. Ein weiterer war so begeistert, dass er beim nächsten Dekanatstreffen darüber berichten will. „Das ist ein Blickwinkel, den wir nicht so häufig hören“, dankte Diözesanobmann Richard Wagner und ergänzte: „Wieländer ist ein Mann der in seinem Glauben gut verwurzelt ist und uns viele Impulse geben kann“. 

Der Franziskanerpater Richard Rohr ist 1943 geboren, internationaler Redner und Exerzitienmeister, Gründer der Lebensgemeinschaft New Jerusalem in Cincinatti und des CAC – Zentrums für Aktion und Kontemplation in Albuquerque/ New Mexico und Autor mehrerer Bücher: „Der wilde Mann“, „Masken des Maskulinen“, „Vom wilden zum weisen Mann“, „ENNEAGRAMM“ ect.

Projekt Vanakkam

Zuvor hatte Ass.-Prof. Peter Schönhuber von der Technischen Universität Wien das Projekt Vanakkam (Willkommen in Tamil) von Father Leonard, dem Leiter der Mahalir Vidiyal Gemeinschaft im Dorf Vellakulam, im Bundesstaat Tamil Nadu, Südindien, vorgestellt.

Der von seiner Tochter Agnes Schönhuber und Kathrin Obermeier gegründete Verein für soziale Entwicklung in Südindien unterstützt das von Father Leonard und der Gemeinschaft betriebene Kinderwohnheim für 70 Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen sowie die Schule unter dem Motto: Gemeinsam können wir etwas bewegen! Bei dem Projekt werden die Kinder mit Schulbussen oder Fahrrädern zur Schule gebracht und unterrichtet. Mit einem Baumprojekt, die gegen die Trockenheit gepflanzt werden, der daraus folgenden Biomasseanlage, Sonnenkollektoren zur Warmwassergewinnung, dem Küchenprojekt, Schuluniformen, einem Gesundheitsprojekt (health center) und einem Brunnenprojekt zur Trinkwassergewinnung wird die Lebenssituation der Kinder und der lokalen Bevölkerung der Umgebung verbessert. Die KMB konnte dafür mit Ihrer entwicklungspolitischen Organisation „Sei so Frei“ den Bau von 8 Schulklassen finanzieren.             

Franz Vock

Vanakkam wurde von Agnes Schönhuber (ganz rechts) und Kathrin Obermeier (2. v. r.) gegründet. Unterstützt werden sie von den Eltern: Peter und Gunda Schönhuber (links) und Michaela Obermeier (Mitte).