Ein angeregter Nachmittag mit dem Männerforscher Erich Lehner über lernfähig bleiben
„(…) Ich habe kein Problem mit dem Alter und bin auch nicht depressiv. Na ja, zugegeben, manchmal vielleicht schon. Es ist eine ähnliche Situation wie im Urlaub, wenn man die Hälfte überschritten und das Gefühl hat, dass nun die restliche Zeit viel schneller vergeht. Man spürt eine gewisse Traurigkeit, die vorher nicht da war, weil man ja noch so viel Zeit vor sich hatte. (…)“, mit diesem berührenden Text stieg der Männer- und Geschlechterforscher Erich Lehner am 20. Februar 2019 in den Workshop „Männer im Alter – wie gelingt ein gutes Leben bis zuletzt?“ in den Nachmittag ein, in dem auf Einladung des Fachbereichs Seniorenpastoral der ED Wien von zahlreichen Männern – darunter auch mehreren Vertretern der Katholischen Männerbewegung – und drei Frauen in kleinen Gruppen angeregt diskutiert wurde.
Über Gefühle reden
In einem zweiten Teil präsentierte Lehner Hintergrundinformationen, etwa über das aktuelle Männerbild in der Öffentlichkeit, über Männerfreundschaften, die Schwierigkeit mancher Männer, Vertrauen zu fassen sowie über ihre Gefühle zu reden, also innere Bewegungen wahrzunehmen und auszudrücken.
Weitere Themen waren die Einsamkeit von Männern im Alter, etwa nach dem Tod der Partnerin oder nach einer Trennung. Erwiesen ist, je älter der Mann, umso größer ist die Gefahr der Isolation, was bei Frauen seltener der Fall ist.
Den meisten Männern gelingt es gut, sich den Herausforderungen, die das Altern mit sich bringt, zu stellen und ein gutes Leben bis zuletzt zu leben. Sie sind bereit, sich mit ihrer Situation und ihrem bisherigen Leben auseinanderzusetzen. Sie können auch schwierige Ereignisse ihres Lebens integrieren und werden so frei, sich erneut auf ihre menschlichen und spirituellen Quellen des Lebens zu besinnen.
Fünf unerfüllt gebliebenen Wünsche
Lehner erinnerte an die berühmten fünf unerfüllt gebliebenen Wünsche, die die australische Pflegerin Bronnie Ware nach Gesprächen mit Patient/innen auf ihrer Palliativstation auf den Punkt gebracht hat:
- Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mir selbst treu zu bleiben, statt so zu leben, wie andere es von mir erwarteten.
- Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.
- Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
- Ich wünschte, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden gehalten.
- Ich wünschte, ich hätte mir mehr Freude gegönnt.
Nach einem lebhaften Austausch und viele interessanten Wortmeldungen blieb als Fazit des Nachmittags: Mögen wir (Männer und Frauen) immer besser lernen, über unser Leben zu reflektieren, darüber, was uns beschäftigt und mögen wir in diesem Bereich lernfähig bis zuletzt bleiben!
Renate Moser