Gedanken zum Hochfest Allerheiligen


Freut euch alle im Herrn am Fest aller Heiligen;
mit uns freuen sich die Engel und loben Gottes Sohn.

An diesem Fest geht es nicht darum, alle Heiligen zu verherrlichen und sie als im Letzten unerreichbare, nicht sehr lebensnahe Vorbilder herauszustellen. Im Gegenteil: Das heutige Fest soll uns daran erinnern, dass es Menschen gab, die selbst unter schwierigsten Bedingungen und bedrohlichsten Umständen im Geist Jesu leben. Sie sind es, in deren Leben die Gottes- und die Nächstenliebe lebendig und für alle erfahrbar werden.

Gedanken zum Hochfest Allerheiligen

An Allerheiligen hören wir das Programm aller Heiligen. Wer so lebt, wie Jesus es in acht Anläufen beschreibt, der wird „selig werden. Wer das in acht Punkte zusammen-gefasste Lebensprogramm Jesu übernimmt, dem verspricht er, dass er ganz und gar und für immer glücklich werden wird. „Heilige“ sind nicht nur die, deren Namen im Heiligenkalender stehen, sondern alle, die das Ziel des Lebens gut und ganz erreicht haben, die also „ewig selig“ geworden sind, schlicht gesagt „die im Himmel sind“. Das sind, so dürfen wir hoffen, unendlich viel mehr Menschen, also alle, die im Verzeichnis der Heiligen namentlich stehen. Es sind sicher viele. Sind es alle? Kommen wir alle in den Himmel?

Gedanken zum Hochfest Allerheiligen

Wir dürfen es hoffen. Jesus spricht von einer sehr engen Tür, durch die jeder muss, der das letzte Ziel, die Seligkeit des Himmels erreichen will. Heute zeigt er acht Wege, wie wir durch die schmale Pforte zum ewigen Glück kommen können, acht Haltungen, Lebenssituationen, Lebenseinstellungen, für die Jesus gewissermaßen eine Erfolgsgarantie gibt. Dabei vertröstet er nicht auf eine ungewisse Zukunft nach dem Tod, die wir ja nicht kontrollieren können, weil keiner von uns schon ganz „drüben“ war. Schon jetzt nennt Jesus alle die „selig“, die auf diesen acht Wegen gehen. Damit ermöglicht er, dass sein Programm jederzeit überprüft werden kann.

Und gerade da wird es kritisch. Denn wenigstens die Hälfte dieser acht „Glücksregeln“ klingt so, dass kaum jemand Lust bekommt, sich auf ein solches Programm einzulassen. Denn was ist glücklich daran, arm, trauernd, verfolgt, verlacht, verachtet zu sein? Genau das will doch keiner freiwillig. Jesus bestreitet auch nicht, dass all das ein Unglück und großes Leid bedeutet.
Aber er schaut von diesem Leid nicht weg.

Gedanken zum Hochfest Allerheiligen

Es gibt auf dieser Erde weit mehr Arme als Wohlhabende. Es gibt unermesslich viel Leid, Tränen und Trauer. Und wie viele Menschen leiden unter Verachtung, Spott, Quälereien aller Art. Allen diesen sagt Jesus nicht: „Pech gehabt! Ihr seid halt nicht auf der Sonnenseite des Lebens gelandet, und ihr müsst euch mit eurem Unglück abfinden.“ Im Gegenteil: Jesus gibt  in feierlichster Form die Zusage, dass alle Tränen getrocknet, alle Not beendet werden wird. Er tut das mit einer sprachlichen Wendung, die nur von seiner jüdischen Muttersprache her verständlich ist. Juden sprechen den Namen Gottes aus Ehrfurcht möglichst nicht aus, umschreiben ihn gerne: „Sie werden getröstet werden“ heißt: „Gott selber wird sie trösten.“ Oder „Ihnen gehört das Himmelreich“ heißt: „Gott selber schenkt ihnen sein Reich, nimmt sie auf in seine selige Gemeinschaft.“ Jesus sagt den Armen und Leidenden dieser Welt sicher zu, dass Gott auf ihrer Seite steht. Für ihn sind sie nicht die Vergessenen und Verstoßenen. Darum nennt Jesus sie „selig“. Ist das nicht doch eine Vertröstung? Nein, denn Jesus nennt auch all jene selig, die sich mit Gott auf die Seite der Notleidenden stellen.

Selig nennt er die Gewaltlosen, die Barmherzigen, die nicht an der Not des anderen vorbeigehen, die Friedensstifter und alle, die sich mit ganzer Kraft für die Gerechtigkeit unter uns Menschen einsetzen. Menschen mit geraden, reinen Herzen, nennt Jesus selig, weil sie Gott ganz nahe sind. Solche Menschen machen andere glücklich, sie trösten und lindern Not. In ihnen wird spürbar, dass Gott kein Leid übersieht. Ein Stück Himmel wird schon in diesem irdischen „Tränental“ gegenwärtig. Gibt es ein besseres Glücksprogramm?

Gedanken zum Hochfest Allerheiligen

„Es hilft dir nichts, wenn du die Heiligen verehrst und ihre Reliquien berührst, dich aber nicht um das Beste kümmerst, das sie hinterlassen haben: das Beispiel ihres Lebens.“ meinte der Theologe und Reformator des 16. Jhdts, Erasmus von Rotterdam. Jenes Bild von Heiligen, das viele von uns innerlich mit sich herumtragen, ist möglicherweise einseitig oder erscheint uns vielleicht belächelnswert. Beim Begriff „Heilige“ steigen vor unserem inneren Auge  vielleicht Bilder von starren Steinskulpturen oder von Malereien auf,  die Menschen mit verzücktem, von der Erde in eine für uns nicht sichtbare überirdische Sphäre entrücktem Blick darstellen.

Allerheiligen – das ist jedoch das Fest des Gedenkens an uns schon vorausgegangene Menschen, die wohl im Grunde  nicht viel anders lebten als die meisten von uns. Sie hatten in unterschiedlichem Ausmaß Gaben und Fähigkeiten, aber sie hatten natürlich auch ihre Begrenztheiten, Charakter-schwächen und dunklen Seiten. So wie wir, erlebten sie nicht nur Höhenflüge, sondern waren auch der Drangsal des Lebens ausgesetzt –  oft in weitaus schlimmerer und existenzbedrohenderer Weise als wir!  Wohl aber mühten sie sich im Laufe ihres irdischen Daseins, inmitten aller ihnen vom Leben auferlegten Herausforderungen und Schicksalsschläge, trotzdem mit Standhaftigkeit, Beharrlichkeit, Mut und Treue um das Beste aus dem zu machen,  was in ihnen angelegt war. In ganz individueller Weise bewegten sie sich auf der Spur Jesu im Sinne der Bergpredigt, wie wir sie heute im Evangelium hören. Somit ist Allerheiligen nicht nur ein Fest der dankbaren Erinnerung, sondern auch der einladenden Herausforderung:  Es ist auch das Fest der potentiellen Heiligen — in jedem von uns. Die Erinnerung an unsere Vorangegangenen will uns ermutigen,  unseren ganz eigenen heilenden und heilbringenden Lebens- und Glaubensweg zu suchen!
Allerheiligen — jedenfalls kein Fest für oberflächliche Schwärmerei.

„Heilige? Das sind doch die Menschen, durch die das Licht hindurchstrahlt!“ sagte einmal ein Kind auf die Frage, wer denn nun Heilige seien, wohl in der Erinnerung an manch sonnenbeschienenes Kirchenfenster. Menschen, durch die das Licht durchstrahlt – wäre es nicht schön,  wenn andere das auch über uns sagen könnten, weil auch wir im Laufe unseres Lebens immer leuchtender und durchlässiger für Gottes Liebe würden?

Was aber das eigene Leben mit Freude und Hoffnung, mit Leben und Glück erfüllt – das verdient, erinnert und weitergegeben zu werden. Und was dabei helfen kann, ist die Erinnerung an die wahren Glücksspender des eigenen Lebens: ehrlich und glaubhaft um Frieden und Gerechtigkeit ringende Menschen. Menschen, die fremde und auch die eigene Armut und Trauer zu teilen und damit zu heilen bereit und imstande sind. Menschen, die das haben, was Menschen menschlich macht: ein reines Herz am rechten Fleck.

Selig, wer solche Menschen kennt! 

Gedanken zum Hochfest Allerheiligen

Die Texte sind Kommentare zu den Liturgischen Texten und Ausschnitte
aus einer Sammlung von Diakon Ing. Peter ERNST.
Bilder: Pixabay,
Le petit Placide, Wikimedia Commons