Jeden Gottesdienst und jedes Gebet beginnen wir im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes. Immer wieder werden wir begrüßt mit den Worten, die bereits der Apostel Paulus in den Briefen an seine Gemeinden benutzt hat: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des Hl. Geistes sei mit euch!
Eins und eins und eins sind drei. Und drei sind eins. Das ist keine höhere Mathematik. Diese Zusammenrechnung und Feststellung betrifft das Geheimnis des heutigen Tages. Mit anderen Worten ausgedrückt lautet dies so: Gott ist dreifaltig Einer. Er ist Vater, Sohn und Heiliger Geist. Wer dies nicht gleich auf Anhieb versteht, muss nicht verzweifeln. Im Laufe der Kirchengeschichte haben sich immer wieder große Theologen darum bemüht, dieses Geheimnis Gottes zu verstehen und sich dabei nicht minder schwerer getan. Unbegreiflich muss dieses Geheimnis nicht bleiben. Es erscheint umso begreiflicher, je mehr wir uns mit der Gegenwart Gottes in der Geschichte des Menschen auseinandersetzen. Diese erweist sich in der Gestalt des Vaters, dem Urgrund allen Lebens und dem Gott Israels; in der Gestalt des Sohnes, der offenbar gewordenen Liebe des Vaters; in der Gestalt des Heiligen Geistes, dem vom Vater und Sohn Aufbau zugesagten Beistand und Helfer bis ans Ende der Zeiten. Sagen wir es so: Gott ist ein liebevoller Vater, der sich um uns kümmert, deshalb Mensch wurde und nach seiner Himmelfahrt uns in seinem Geist immer noch tröstet und Kraft gibt. Ein Gott ist dreifach unter uns gegenwärtig.
Wir bekennen uns zur Vielfältigkeit Gottes. Das heutige Dreifaltigkeitsfest ist wohl das komplizierteste Fest des ganzen Kirchenjahres. Wenn schon die meisten aktiven Christen sich kaum noch etwas unter Pfingsten vorstellen können, so erst recht nicht unter diesem Festgeheimnis: ein einziger Gott – aber drei Personen. Gott ist dynamisch in liebevoller Zuwendung, Bewegung, Gemeinschaft, Liebe, Beziehung, Sendung. Es geht um den „Gott für uns“! Das hat mehr mit dem Herzen als mit dem Verstand zu tun … Man kann es vergessen und sich denken: So steht es eben in der Hl. Schrift. Wir können uns aber auch fragen – inwieweit berührt mich das, und was hat das mit meinem persönlichen Glauben zu tun. Da es uns ohnehin nicht gelingt, Gott in ein Wort zu fassen, ist es vielleicht ganz gut, wenn wir drei Begriffe haben, um das auszudrücken, was unser ganzes Leben umfasst.
Der Vater kann hierbei umschrieben werden mit Geborgenheit, Schutz und Sicherheit in jeder Zeit unseres Lebens, der Sohn, nämlich Jesus, kann stehen für das handgreifliche, für die persönlich erfahrbare Beziehung zu Gott. Der Hl. Geist kann die Freiheit symbolisieren, die uns der Glaube eröffnet. Er drückt aus, dass Gott nicht an unsere Grenzen und Gesetzmäßigkeiten gebunden ist, und uns an der Erlösung teilhaben lassen will. Aber bis dahin haben wir noch unseren Lebensweg vor uns, und dürfen uns prüfen, ob wir auf dem richtigen Weg sind.
Es gibt Worte Jesu im Evangelium, die einen nicht mehr loslassen, wenn sie einmal ins eigene Herz Eingang gefunden haben. Dazu gehört das heutige: So sehr hat Gott die Welt geliebt…“; und: „nicht zu richten, sondern zu retten“. Aber damit diese so tröstlichen und helfenden Worte Jesu im Herzen Wurzel schlagen können, ist es hilfreich, sie sich näher anzusehen. Denn Jesus sagt sie in einem ganz bestimmten Zusammenhang, er spricht sie in einem langen Nachtgespräch mit einem jüdischen Ratsherrn namens Nikodemus, der anfangs aus Furcht vor seinen Kollegen nur heimlich zu Jesus kam, um ihm seine Fragen zu stellen. Später aber hatte er den Mut, öffentlich für Jesus einzutreten und schließlich sogar zusammen mit Josef von Arimathäa Jesus vom Kreuz abzunehmen und würdig zu bestatten.
Dieser Nikodemus hat wohl gespürt, dass Jesus von Gott kam und den Weg zum Leben weisen konnte. Aber was Jesus ihm sagt ist reichlich rätselhaft, nicht nur für damals, sondern bis heute. Kurz vor unserem Evangelium Text sagt Jesus zu Nikodemus, er müsse „erhöht werden, wie Mose die Schlange in der Wüste „erhöht hat“. Nikodemus versteht die Anspielung: Als das Volk Israel am Sinai in der Wüste war, hatte es unter Giftschlangen zu leiden. Da brachte Mose eine metallene Schlange auf einer Stange an, und jeder, der auf diese Schlange hinblickte, wurde von den giftigen Bissen geheilt (Num 21, 4-9).
Jesus deutet also dem Nikodemus an, dass er ans Kreuz gehängt werden wird, damit jeder, der vertrauensvoll zum Kreuz aufschaut, Heilung findet. Es muss für diesen jüdischen Ratsherrn schwer gewesen sein, diese Worte zu verstehen. Denn ganz anderes hätte er sich erwartet in seiner Hoffnung, dass Jesus der Messias, der Befreier sein werde, dass Jesus Gerechtigkeit, Freiheit und Ordnung bringen werde, dass er die Gegner Israels richten und die Feinde Gottes vernichten werde, damit endlich Frieden einkehre in diese Welt voll Blut und Tränen. Statt dessen sagt ihm Jesus: So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn für uns hingab. Jesus sagt ihm: Den Frieden, den du ersehnst, den schenkt dir Gott durch mich. Schau auf zum Kreuz, dann wirst du sehen, wie sehr Gott dich liebt. Schau auf zu mir, glaube mir, vertraue mir, ich bin gekommen, nicht um die Menschen zu richten, sondern zu retten.
Wie Jesus das meinte, hat er oft gezeigt, etwa, als man eine Ehebrecherin vor ihn schleppte, um sie durch Steinigung zu töten, und er den Anklägern sagte: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“
Als alle gegangen waren, sagte er zu ihr: „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige nicht mehr“ So will ich mit Nikodemus fest glauben: Du, Herr, verurteilst und verachtest mich nicht, auch wenn andere und ich selber mich verurteilen. Du bist nicht gekommen, um mir ein Strafregister vorzuhalten, sondern mich davon zu befreien. Dazu erwartest du aber von mir, dass ich dir glaube und vertraue und dass ich selber anderen schenke, was du mir schenkst: nicht richten, sondern retten!
Die Texte sind Kommentare zu den Liturgischen Texten und Ausschnitte
aus einer Sammlung von Diakon Ing. Peter ERNST.
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