Gedanken zum Hochfest Christi Himmelfahrt


40 Tage nach Ostern feiern wir Christi Himmelfahrt, ein uraltes Fest der Christenheit, das schon im 4. Jahrhundert in Jerusalem bezeugt wird. In unserer Liturgie begegnen wir dem Auferstandenen in Gemeinschaft mit seinen Freunden.

Wir feiern Christi Himmelfahrt – vor dieser Aufnahme in den Himmel spricht Jesus ein letztes Mal zu den Jüngern. Nicht mehr wie früher, denn als ihr irdischer Lehrer ist er gestorben, jetzt spricht er nur noch ein Vermächtnis aus, dann aber werden sie entlassen – in die eigene Verantwortung. 

„Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“
Diese Worte hörten die Jünger damals, am Tag der Himmelfahrt Christi. Auch wir träumen uns oft in den Himmel: in ein Leben ohne Sorgen, in eine Welt ohne Not, in eine Kirche, in der alles gut ist. Aber das bleiben wohl Träume. Der Himmel, in dem wir Jesus begegnen, ist nicht am Sternenhimmel zu finden, sondern in unseren Herzen. So ist Jesus mit uns alle Tage bis ans Ende der Welt.

Wenn dieser Himmelfahrtstag für uns ein Fest ist, dann deshalb, weil Jesus nicht in einen Himmel der Träume entschwunden ist, sondern weil er mitten im wirklichen Leben ist, in der wirklichen Welt, mitten in unserer Kirche – mit ihren Sorgen und Fragen. Jesus Christus ist wirklich bei uns, mit uns alle Tage. Jesus hat wirklich Wort gehalten.  

Wie er selbst dürfen auch wir als einzelne und als Kirche verkünden,  handeln und wirken. Sein Werk auf Erden weiterführen  ist der Auftrag der Stunde des Abschieds von dieser Erde. Doch wir stehen nicht allein, verlassen und ratlos vor diesem großen Auftrag an die Welt. Jesus sagt uns seine Gegenwart und seine Kraft zu:
„Seht, ich bin bei euch bis ans Ende der Welt.“

Wir dürfen also darauf vertrauen, dass wir als Kirche nicht alleingelassen werden. Optimistisch und hoffnungsfroh dürfen wir unseren Weg in die Zukunft suchen. Der oft weinerliche Ton, den wir uns als Christen in unserem Land angewöhnt haben, ist also nicht angebracht. Im Auftrag Jesu und aus seiner Kraft können wir auch Neues wagen, um die Botschaft weiterzutragen und um sein Reich auf Erden weiterzubauen. Vollenden wird er es selbst. Darüber brauchen wir uns wohl keine Sorgen machen. Mit den Worten unseres heutigen Evangeliums schließt das Matthäus Evangelium. Sie klingen wie der Schlussakkord einer großen Symphonie,  in dem alle Instrumente mit ihren Themen und Melodien  zu einem mächtigen, harmonischen Klang zusammenströmen. 

Es geht um alles in diesem Schlussakkord:  Alle Macht im Himmel und auf der Erde ist nun dem gegeben,  der von den Mächtigen der Erde getötet wurde. Dementsprechend universal ist sein Auftrag: geht zu allen Völkern, macht alle Menschen zu Jüngern  und tauft sie. Und seine gesamte Botschaft zusammen-fassend fordert Jesus auf: lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch aufgetragen habe! – Für uns Christen ist Jesus der „Gott mit uns“. Er schickt uns auf den Weg und er geht mit uns den Weg. Er trägt der Kirche auf zu lehren, aber er entbindet sie von Unfehlbarkeit im Lehren.

Gedanken zum Hochfest Christi Himmelfahrt

Der auferstandene Jesus entschwindet  vor den Augen der Seinen, um aber gleichzeitig eine neue Art  der Beziehung mit ihnen aufzunehmen – eine Beziehung, die so stark und tiefgehend ist, dass alles in neuer, ungeahnter Weise von Seiner Gegenwart erfüllt wird. Es ist Jesu Aufforderung an die Jünger,  die ihnen vertraute Art seiner Gegenwart zurückzulassen,  ihn scheinbar zu verlieren und trotzdem den Mut aufzubringen, sich auf eine neue, ihnen noch unbekannte Weise von Beziehung  mit Ihm einzulassen.

Seine unsichtbare Gegenwart erreicht nun eine Tiefe, die ihm sein irdischer Leib nie ermöglicht hätte. Aber zunächst ist Christi Himmelfahrt ein Trauertag – ein Tag, an dem es gilt, Jesus loszulassen und das Alleinsein zu akzeptieren. Es ist eine Trauer, die sich in manchem Abschied, in mancher Erfahrung von Verlassen-Werden in unserem Leben widerspiegelt. Doch nur im Loslassen können neue Wege gegangen werden, kann eine neue Wirklichkeit sich Raum verschaffen, erleben wir Reifung, Wachstum, Erstarken.

Ohne Abschied blieben wir unmündig und abhängig,  der Abschied hingegen macht uns – wenn wir den Mut haben,  ihn mit allem Schmerz auch wirklich zu durchleben –  mündig und erwachsen. Und Jesus mutet uns diese Reifeschritte nicht nur zu, er traut sie uns auch zu:

Ihr werdet meine Zeugen sein … bis an die Grenzen der Erde, versichert er uns. Und wenn wir den Abschied gut durchlebt haben, wenn wir aufgegeben haben, die Erfüllung unserer Sehnsüchte von äußeren Dingen, Umständen, Menschen … zu erwarten, wenn wir durch die Erfahrung unserer inneren Leere und des Mangels hindurch den Raum des Friedens  und der Gelassenheit erreicht haben, dann haben wir Christi Himmelfahrt durchlebt und Pfingsten erreicht. Dann sind wir offen und frei genug, dass Gottes Geist in uns einströmen und uns von innen heraus mit seinen Gaben erfüllen kann.

Ein schwieriger Weg für uns Menschen, die wir so gerne festhalten,  die wir so viel Angst haben, dass uns genommen wird,  was wir doch dringend zum Leben zu brauchen glauben.  Christi Himmelfahrt lädt uns ein, uns aufzumachen – im doppelten Sinne des Wortes: uns aufzumachen auf den neuen, unbekannten Weg und aufzumachen  unseren inneren Raum, damit er mit jener Kraft aus der Höhe erfüllt werden kann. Somit gibt uns dieses Fest eigentlich das Ziel unseres Lebens an. Christi Himmelfahrt will unseren Blick auf dieses Ziel lenken.

Wer in gewisser Weise vom Himmel her leben kann, für den relativieren sich viele Dinge. Erfolg, Besitz, Gesundheit haben dann nicht mehr den höchsten Stellenwert. Der Weg kann gelassener, mit weniger Angst und mehr innerem Abstand begangen werden. Christi Himmelfahrt hilft uns somit auf unserem Weg der wahrhaftigen Menschwerdung.

Wir berühren nicht mehr den historischen Jesus, sondern den erhöhten Christus. Solange ein Mensch neben uns lebt, sind wir fixiert auf das, was wir sehen. Christus musste gehen, damit wir nicht an der historischen Gestalt hängen bleiben. Jetzt kann er in jeden von uns Gestalt annehmen, jetzt ist er für immer gegenwärtig in unseren Herzen. Seine Taten, Seine Worte, Seine Zeichen bleiben nicht mehr auf einen kleinen Kreis von Menschen, gebunden an Raum und Zeit, beschränkt. Hier und heute ereignet sich Gegenwart Jesu in uns, hier und heute sind wir eingeladen, diese beglückende Erfahrung wahr werden zu lassen und anderen weiter zu schenken: Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen.

Bei diesem theologischen Bild geht es letztlich um etwas, das alle Vorstellungen sprengt. Es geht um den endgültigen Aufstieg Jesu und zugleich um sein Entschwinden aus der Sphäre des optisch Wahrnehmbaren. Jesus ist heimgekehrt. Ein Kreis schließt sich, Anfang und Ende berühren einander. Und doch hat sein Leben auf Erden etwas verändert. Der Himmel, der mythologische Ort, wo Gott wohnt, ist nicht mehr derselbe Himmel und die Erde ist nicht mehr dieselbe Erde seit der Menschwerdung Gottes, seit Jesus von Nazareth und seiner Botschaft. Diese Himmelfahrt ist kein Abschied auf Nimmerwiedersehen, kein aus den Augen, aus dem Sinn. Sein Gipfel ist auch der Gipfel für die Aussichten von uns allen.

Mehr und Größeres kann nicht gesagt werden. Ich bin bei euch, wenn ihr zu den Völkern geht, wenn ihr die Menschen in der Taufe mit der Liebe Gottes verbindet, wenn ihr sie meine Gebote lehrt. Ich bin bei euch, auch wenn ihr Zweifel habt. Das kann ich verstehen. Aber seid gewiss. Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden.

Es ist eine letzte Bergpredigt. Es ist wie auf dem Berg Tabor, wie auf dem Horeb, wie auf dem Sinai. Es sind Momente, die herausgehoben sind aus dem Alltäglichen, da man sich dem Himmel näher fühlt, da man eine Gewissheit empfängt. Mehr geht nicht. Leben mit diesem Glauben, ist die Gewissheit dass er bei mir ist. Er, der ohnmächtig am Kreuz gehangen hat und doch alle Macht hat. Er verheißt mir in meinem Inneren Auferstehung und Himmelfahrt.

Gedanken zum Hochfest Christi Himmelfahrt

Die Texte sind Kommentare zu den Liturgischen Texten und Ausschnitte
aus einer Sammlung von Diakon Ing. Peter ERNST.
Bilder: Wikimedia Commons, Pixabay,
Le petit Placide